Interessante Details zum Raspberry Pi 4

Wie bei meinem letzten Beitrag zu unterthematisierten Details des der neuen Version des Einplatinencomputers gehe ich hier wieder auf ein paar Dinge ein, die ich für interessant erachte, die aber nicht im Rampenlicht der Berichterstattung stehen…

  1. Die analoge Audioausgabe für die Klinkenbuchse wird weiterhin über PWM generiert (Quelle: Schaltplan des RPi 4). Wer bessere Audioqualität braucht, muss sich also weiterhin ein HAT anschaffen oder einen der nun zwei vorhandenen HDMI-Ausgänge benutzen.
  2. Der analoge Composite-Video-Ausgang an der Klinkenbuchse steht weiterhin zur Verfügung. Allerdings kann dieser nicht parallel zu den HDMI-Ausgängen benutzt werden (Quelle: Blogpost zum Release von Raspian Buster).
  3. Der Boot-Prozess wurde geändert. Statt der GPU, die erst im weiteren Verlauf des Boot-Prozesses die Kontrolle an die eigentlichen ARM-CPU-Kerne übergibt, sind jetzt die ARM-Kerne die eigentlichen Hauptprozessoren. Zudem existiert jetzt ein Flash-Speicher, der die Firmware für den Systemstart enthält.
  4. Damit einher geht auch, dass sowohl USB-Boot als auch Netzwerkboot anders funktionieren müssen (→ Die Firmware muss jetzt über PCIe mit dem USB-Controller und dem im SoC integrierten Gigabit-MAC „sprechen“), beides wird aber über Updates der Firmware nachgereicht.
  5. Der USB-C-Anschluss zur Stromversorgung ist gleichzeitig auch ein USB 2.0-Port. Dort liegt jetzt nämlich der USB-Port an, der ursprünglich der primäre und einzige USB-(OTG)-Port des SoC war.
  6. Probleme, die durch den Datenverkehr über den einzigen USB-Port des SoCs verursacht wurden, wie Audioaussetzer bei Netzwerktransfer über die am internen USB-Hub-hängenden Netzwerkkarte und gleichzeitiger Audioausgabe über eine am gleichen Hub hängende USB-Soundkarte, sind mit dem über PCIe angebundenen USB-Controller und der separat am SoC angebundenen Gigabit-Netzwerkkarte passé.
  7. Der Grafik-Stack beinhaltet weniger proprietären Code und setzt jetzt auf Mesa. Der Treiber dafür war schon länger in Arbeit und wurde auch in Zusammenhang mit einem möglichen RPi 4 gesehen.

Insgesamt stellt der RPi 4 eine gelungene Rundum-Überholung dar. Wo möglich und nötig, wahrt er die Kompatibilität zu den Vorgängern. Und beseitigt dabei die Probleme der Vorgänger, was Erweiterbarkeit der SoC-Architektur, mangelnde IO-Bandbreite und fehlenden Arbeitsspeicher angeht. Erweiterungen, HATs und Anleitungen funktionieren allerdings weiterhin. Und das zu weiterhin günstigen Preisen und anscheinend weiterhin gutem Software-Support.

Das als Gesamtpaket hat die Konkurrenz zwar immer angekündigt, aber nie wirklich geliefert.
Trotz aller Schelten, die die RPi-Macher bisher für ihre Entscheidungen („Veraltetes SoC einsetzen geht gar nicht!“, „Wo bleibt Gigabit-Ethernet?!“) kassiert hat, muss man anerkennen, dass sich manche Dinge eher inkrementell lösen lassen als wenn man sie von Anfang an „richtig“ zu machen versucht und dann letztlich doch an der Komplexität des Ganzen scheitert.

Ich benötige im Moment keinen weiteren RPi, auch keinen schnelleren, weil ich alle meine drei Pis (3B, 3B+ und 3A+) im Headless-Betrieb nutze und sie dafür vollkommen ausreichend sind. Aber sobald mal wieder genug Geld in der Bastelkasse sein dürfte, wird der Haben-Reflex sicherlich überhand nehmen…

4 Gedanken zu „Interessante Details zum Raspberry Pi 4“

  1. MaM sagt:

    Cool, danke für den Beitrag! Interessante Details 🙂

  2. RityMatch sagt:

    Danke für den doch sehr detailierten Beitrag!

    Eine rein technische Frage zu #3:
    Bisher war es so, dass ein headless RasPi nicht ohne VRAM startete. Bedeutet dies, er hat nun den gesamten RAM für sich?

    1. Hallo RityMatch,

      gerne 🙂

      Bisher war es so, dass ein headless RasPi nicht ohne VRAM startete. Bedeutet dies, er hat nun den gesamten RAM für sich?

      Ich weiß es tatsächlich nicht. Ich muss auch gestehen, dass meine Aussage etwas gewagt ist. Die neue Memory Management Unit, die bessere GPU und der geänderte Bootprozess riechen förmlich danach – sie haben quasi alles ausgetauscht, was das alte SoC-Design so krude gemacht hat – das riecht danach, dass sie den seltsamen Bootprozess auch so grundlegend geändert haben, dass die GPU dafür nicht notwendig ist und damit in der Theorie auch keinen Speicher mehr benötigt.

      Leider gibt es keine wirklich detaillierte Doku zu dem neuen SoC. Und aufgeschliffen oder so hat den auch noch niemand, soweit ich weiß…

  3. Stefan sagt:

    „Aber sobald mal wieder genug Geld in der Bastelkasse sein dürfte, wird der Haben-Reflex sicherlich überhand nehmen…“

    Hallo Julius, das kenne ich. Gerade der PI4 lockt mit seiner neuen, zeitgemäßen Hardware zum Kauf. Neues Mediacenter für den heimischen Fernseher? Werde ich mit ihm realisieren. Der alte Pi3, der dies bisher macht, ist nicht der Schnellste. Da wird bestimmt ein deutlicher Unterschied zu spüren sein, wenn der Pi4 diesen Job übernimmt.

    Danke für Deinen tollen Überblick. Das sind Details, die man sonst nur schwer findet und welche wirklich relevant sind.

    Liebe Grüße von der Oder, Stefan.

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